Multiple Sklerose

Multiple Sklerose

Die Multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch entzündliche Erkrankung des Zentralnervensystems (ZNS). Dabei greifen aktivierte, körpereigene Immunzellen die Isolierung der Nervenfortsätze (Myelinzellen) in Gehirn und Rückenmark an. So kommt es zu unterschiedlichen Zeiten an verschiedenen Stellen im ZNS zu Leitungsstörungen und bei schwerer Ausprägung auch zum Untergang von Nervenfortsätzen und Nervenzellen. In geringerem Ausmass kommt es aber auch zu Reparationsvorgängen.
Klinisch können sich sehr unterschiedliche Symptome zeigen, z.B. eine mehrere Tage oder Wochen anhaltende Sehstörung, Sensibilitätsstörungen wie Kribbeln oder Taubheitsgefühl mit oder ohne zusätzliche Kraftminderung der Arme oder Beine, Schwindel oder Gangunsicherheit. Meistens verläuft die MS in Schüben, d.h. es treten plötzlich neurologische Symptome auf, die sich nach einigen Tagen vollständig oder teilweise wieder zurückbilden. Viel seltener ist die chronisch verlaufende Form, bei der die Symptome schleichend beginnen und sich kontinuierlich verschlechtern.
Zur sicheren Diagnose und insbesondere Differenzierung gegenüber anderen Erkrankungen mit ähnlichen Symptomen ist die Kombination aus klinischer Untersuchung, Magnetresonanztomographie (MRI) von Gehirn und Rückenmark, Liquorpunktion und evozierten Potentialen (VEP, SEP) notwendig.
Da bei allen Formen der MS Hirnzellen untergehen, was letztlich zu Hirnatrophie und bleibender Behinderung führen kann, ist das Ziel einer frühzeitigen MS-Therapie, diesen Zelluntergang zu verhindern. Der akute Schub wird mit hochdosierter Cortison-Infusion über 3 bis 5 Tage behandelt. Langfristig bedeutsamer ist aber Prophylaxe, d.h. Verhinderung erneuter Schübe. Hierfür steht inzwischen eine grosse Auswahl an Medikamenten zur Verfügung. Die längsten Erfahrungen liegen mit den Injektionspräparaten vor, d.h. Interferone (Betaferon®, Rebif®, Avonex®) und Glatirameracetat (Copaxone®). Diese Substanzen wirken immunmodulierend und sind auch für Patientinnen in der Phase der Familienplanung geeignet. Seit mehreren Jahren stehen 3 Präparate in Tablettenform zur Verfügung: Fingolimod (Gilenya®), Teriflunomid (Aubagio®) und Dimethylfumarat (Tecfidera®). Allen gemeinsam ist, dass sie auf bestimmte Teile des Immunsystems hemmend wirken und so die Entzündungsaktivität bei MS reduzieren. Allerdings dürfen diese deshalb auch bei Frauen mit Kinderwunsch nicht eingesetzt werden. Bei Versagen der genannten Therapien oder schwerem Verlauf der MS kann Natalizumab (Tysabri®) verabreicht werden, welches 1x monatlich als Infusion in die Vene verabreicht wird. Eine weitere Therapiemöglichkeit steht mit Alemtuzumab (Lemtrada®) zur Verfügung. Dieses Medikament wird in 2 mehrtägigen Zyklen in 2 aufeinanderfolgenden Jahren als Infusion verabreicht und eliminiert bestimmte B- und T-Lymphozyten. Anschliessend sind monatliche Blutbildkontrollen notwendig.
Welche Therapie für welche Patientin oder Patienten geeignet ist, wird im gemeinsamen Gespräch anhand des individuellen Verlaufes der Erkrankung, der aktuellen Lebenssituation und den individuellen Wünschen bezüglich Applikationsform entschieden. Mit der frühzeitigen Behandlung der MS kann sowohl das Fortschreiten der Behinderung als auch die unbemerkte Zunahme von Läsionen (MRI-Befund) und die Hirnatrophie verhindert oder zumindest verzögert werden. Damit ist über viel Jahre ein weitgehend unbeeinträchtigtes Leben möglich.